Angemeldet als:
filler@godaddy.com
Angemeldet als:
filler@godaddy.com
Das Projekt Storytelling for Change brachte über 6 Monate eine Gruppe von einheimischen und geflüchteten Menschen in Wiesbaden zusammen, um gemeinsam Geschichten zu schreiben und diese zu veröffentlichen. Dabei entstand ein illustriertes Hardcover-Buch mit berührenden Geschichten, das in zwei Auflagen auf über 30 Lesungen verkauft wurde.
#Interkultureller Dialog #Interdisziplinäre Arbeit #Teamarbeit #Tandemschreiben #Kreatives Schreiben #Geschichtenerzählen auf der Grundlage der Heldenreise nach Joseph Campbell #Achtsames Zuhören #Buchlesungen #Illustration
In den Jahren 2017 und 2018 führten wir das 6-monatige Projekt Storytelling for Change, gefördert durch das Integrationsamt Wiesbaden, durch. Das Konzept wurde von Kristine Tauch entwickelt, die in der Sozialarbeit mit unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten feststellte, dass zwei essentielle Dinge für gelingende Integration weithin fehlten: Begegnungen auf Augenhöhe und die Möglichkeit, die eigene Geschichte ohne Zwang und in vertrauter Atmosphäre erzählen zu können.Wir konnten mit Storytelling for Change nicht nur Einheimische und Geflüchtete zusammenbringen, sondern im weiteren Verlauf auch hunderte von Menschen erreichen, die den Fluchtgeschichten lauschten und mit den Autoren in Dialoge auf Augenhöhe traten.
Über 30 Menschen starteten im Dezember 2017 mit einem zweitägigen Storytelling-Workshop. Es nahmen 21 geflüchtete Menschen aus sechs Herkunftsländern teil und zehn Einheimische, die als Sprachpatinnen jeweils zwei der geflüchteten Menschen bei der Gestaltung ihrer Geschichten unterstützten. Wir hatten hochqualifizierte Trainer an Bord, die den Prozess auf unterschiedliche Weise begleiteten, darunter der Gründer der Storytelling Academy in den Niederlanden, eine Lektorin, Autorin und DaF-Lehrerin, einen erfahrenen Illustrator und eine Diplom-Pädagogin, sowie eine Psychologin, die auf Abruf für Notfälle zur Verfügung stand. Die Sprachpatinnen waren besonders gewandt in der deutschen Sprache (zum Teil als Journalisten und Texter tätig) und hatten zudem einen beruflichen und/oder persönlichen Bezug zum Thema Migration.
Der erste Tag. Die meisten Teilnehmer kannten sich nicht untereinander. In der Wiesbadener Jugendherberge versammelten wir uns im großen Konferenzraum, hießen alle herzlich willkommen und stellten das Projekt und die Beteiligten vor, zweisprachig, in Deutsch und Englisch. Nicht simultan zu übersetzen hatte den Vorteil, dass das, was vermittelt werden sollte, wiederholt wurde, von zwei Menschen auf unterschiedliche Art und Weise. So vergrößerte sich die Chance, wirklich verstanden zu werden. Das gemeinsame Mittagessen ermöglichte uns allen auf informelle Weise miteinander in Kontakt zu treten und hier bildeten sich bereits ganz spontan die ersten Autoren-Sprachpaten-Tandems. Mit einem Erzählkreis schlossen wir den ersten Workshoptag ab.
Wir fühlten uns jetzt wie eine große Familie, die gemeinsam eine Reise antritt. Die Storytelling-for-Change-Reise.
Im Rahmen der gesamten Projektdauer wurden alle beteiligten Fachleute sowie die Sprachpatinnen angewiesen, sich auf den Schreib- und Heilungsprozess der Einzelnen zu konzentrieren. Ein Buch als solches war zweitrangig. Zu Beginn des Projekts und auch gegen Ende hatten wir weder die Mittel noch die notwendigen Verbindungen, um ein Buch zu drucken. Zu unserer Überraschung erwiesen sich die Geschichten alle als sehr gut geschrieben, und es gab keinen Grund, sie dem Markt vorzuenthalten. Der Illustrator leistete fantastische Arbeit bei der Gesamtgestaltung und der individuellen Illustration der einzelnen Geschichten. Am Ende des Projekts hatten wir ein wunderschönes, druckfertiges, 190 Seiten starkes Dokument. Etwa einen Monat später wurde das Buch veröffentlicht.
Einen weiteren Monat später veranstaltete unsere Storytelling-Familie eine erste Buchlesung in einem Park. Drei der Autoren und eine Sprachpatin trugen die Geschichten vor einem interessierten Publikum vor. Die Bücher, die wir in den Park mitgebracht hatten, waren alle ausverkauft. Innerhalb der nächsten 5 Monate fanden 10 weitere Lesungen statt und es wurden fast 500 Buchexemplare verkauft.
Noch etwas macht die Lesungen für uns so besonders: Jedes Mal gibt es nach den Lesungen einen Dialog zwischen den Autoren und dem Publikum. Immer wieder kommen Menschen mit Fragen auf die Lesenden zu, wollen Respekt und Empathie zeigen oder uns auf einen anderen Ort hinweisen, an dem wir eine Buchlesung veranstalten sollten.
So entsteht ein Dialog nach dem anderen, das Bewusstsein für die Situation von geflüchteten Menschen wird geschärft, die Autoren können ihre Spuren in schriftlicher und veröffentlichter Form in ihrer neuen Heimat hinterlassen.
Und nicht zuletzt, wie einer unserer Autoren sagt: "Ein Mensch kann nur frei sein, wenn er seine Geschichte erzählen darf." Das ist es, was Menschen miteinander verbindet, wenn sie Geschichten miteinander teilen. So verstehen und schätzen wir uns gegenseitig. Auf diese Weise bekommen wir einen Eindruck davon, wie es ist, in den Schuhen eines anderen zu gehen. In Zeiten des wachsenden Nationalismus in vielen Teilen der Welt sind wir zutiefst davon überzeugt, dass diese Form der menschlichen Verbindung existenziell ist.